Blitzschlag!

Luther und die Reformation
Bilder von  Renate Wandel

 
Wenn Renate Wandel aus Bad Hersfeld sich dem Thema Reformation nähert, dann geschieht das auf sehr eindrucksvolle Art und Weise. Expressiv leuchten ihre Farben hervor und zeigen nicht zuletzt auch damit die „farbige“ Zeit der Reformation, die mit ihren Aufbrüchen und Umbrüchen in der Geschichte einzigartig gewesen ist. Renate Wandel ist sicher im Gebrauch der Zeichen und Symbole der christlichen Ikonografie, strebt aber auch die Verarbeitung der modernen Symbole des 21. Jahrhunderts an. Blickt man auf ihr Werk, so bemerkt man, sie verbindet Geschichte und Neuzeit miteinander.

In dieser Ausstellung steht das Bild von Luther im Zentrum ihrer Malerei. Vielleicht fühlt man sich in die Zeit um 1500 versetzt, blickt man die Motive an. Cranach oder Dürer scheinen sich ebenfalls genötigt gefühlt zu haben, mit den Augen ihrer Zeit zu schauen, wie auch Wandel.

Die historische Person Martin Luther (1483 – 1546) gilt ohne Zweifel als die wichtigste Persönlichkeit in der Geschichte des Abendlandes. Umstritten war sein Werk einst, doch sind seine Schriften, Zeugnisse und Lieder noch immer von großer Bedeutung. Wie auch Wandel versuchte er, mit scharfen Augen die Zeichen seiner Zeit zu beobachten und sein Weg nach Rom war für ihn der Entschluss, die katholische Kirche zu verändern. Mit dem Thesenanschlag in Wittenberg setzte er dann ein sichtbares Zeichen und galt damit als verfolgte Person.
Sein geistiger Aufstand gegen das Papsttum begann somit seinen Lauf zu nehmen. Es begann eine neue Zeit im Leben von Luther und die Wartburg war seine Zufluchtsstätte geworden.

Luthers Zufluchtsort auf dem Bergfels wird auch im Werk von Renate Wandel thematisiert. Auch die Lutherstube, in der er das Testament übersetze, wird zum Bildmotiv von Wandel. Die mit Farben und Formen versucht, das Typische der kleinen Zelle zu zeigen, sowie auch die Enge, in der er sich befand. Im Zeichen der Reformation stehen alle  Arbeiten der Künstlerin Renate Wandel, die mit ihren Farben, dynamischen Strukturen und Schwüngen auf dem Malgrund versucht, den Zeitgeist heraufzubeschwören. Und jener Zeitgeist wird in ein Farbkonvolut gepackt, das sich leuchtend zeigt. Dabei berührt sie auch die Zeitgenossen von Luther, die sich im großen Bild „25 Porträts“ zeigen. Wir sehen Papst Leo X., Melanchthon, Karl V. oder Albrecht Dürer. 

Mit ihren Bildmotiven hält sie Rückschau auf die Motive der deutschen Renaissance. Sie blickt zu Lucas Cranach, Altdorfer oder Dürer und kennt die Porträts, die Luther und Lutherzeitgenossen zeigen. Cranach, der Freund von Luther, hatte viele Porträts geschaffen und gilt in der Kunstgeschichte als wichtiger Vertreter der deutschen Renaissance. Renate Wandel zeigt in ihrer Ausstellung, dass die Reformation ihre Schatten geworfen hat und noch heute wirkt, nicht zuletzt in ihren Bildmotiven wirkt.  Somit erlebt der Betrachter schließlich auch einen Rundgang durch jene Zeit.

Die Zeit der Reformation beginnt in Zeitz mit dem Januar 1542, als Martin Luther hier in der Franziskanerkirche eine Predigt hielt. Wandel zeigt Luther auf der Kanzel predigen. Die linke Hand hat er auf die Bibel gelegt. Die angedeuteten Menschenmassen hören zu, drängen sich dicht um ihn. Man sieht die angelegten Leitern, denn in der Kirche war nicht genügend Platz für alle. Mit eindeutiger Gestik predigt Luther. Laut Beschreibung der Zeitzeugen kam es zu einem immensen Andrang, dass die Zuhörer der Predigt mit Leitern, die sie an die Wände und Mauern legten,  denn die  Kirche war voll, wenigstens etwas vom Reformator sehen wollten. Durch die Fenster konnten sie wenigstens etwas sehen. Luther weilte sehr oft in Zeitz, um die Gedanken der Reformation und die Umsetzung dieser zu unterstützen. 1544 kam er erneut für einige Tage zurück, und eigentlich wollte er sich in Zeitz niederlassen, weil er der Studenten in Wittenberg überdrüssig gewesen sein soll. Einige andere Lutherstätten haben sich ebenfalls in das Werk von Renate Wandel eingeschlichen und werden durch Andeutung, Abstraktion und Farben sichtbar. In Mischtechniken, in Übermalungen, in denen Schichtweise nach Symbol und Zeichen gegraben wird. So zeigt sie den großen Andrang bei der Predigt von Luther in der Franziskanerkirche , sie malte auch die Bausubstanz, man sieht die gotischen Fenster, wie auch das alte Mauerwerk. Aber Wandel schlägt noch weitere Brücken und Bögen zur Geschichte und Zeit der Reformation, denn jene kulturreiche Zeit kann sich nur in Farben niederschlagen. Sie malt noch andere Stationen von Luther, die in der Zeit der Reformation wichtig waren. Ihre Bilder können großformatig oder kleinformatig sein.

Stotternheim- Blitzschlag

Luther schwor bei der heiligen Anna Mönch zu werden, als er dem Tod durch Blitzschlag am 2. Juli 1505 entkam. Wandel zeigt jenen Moment in einer ihr typischen Dramatik in Farbe und Form, gewaltig und leuchtend zugleich.

25 Porträts

Eine Besonderheit ist die 25 teilige Arbeit.
Mit ihren mehrteiligen Bildwerk der Porträts greift Wandel auf die Tradition von Cranach zurück.
Sie zeigt Bilder von Zeitgenossen, Menschen, die im Umfeld von Luther lebten. Ein Reigen der Bildwerke zeigt jene Personen in nahezu realistischer Malweise, jedoch verfremdet und in die moderne Formsprache des 21. Jahrhunderts gebracht. Im typischen Profil oder in der Frontalansicht glaubt man, hier und da auch Cranachsche Manier zu sehen.
Luther ist im Zentrum zu erkennen, umgeben von Melanchthon, Spalatin, Cranach oder von Staupitz. Durch die spannungsvolle Farbwahl wird jedes Porträt zu einer Besonderheit in Gestalt, Farbe und Form. Unterschiedliche Farben stellen somit unterschiedliche Charaktere her, zeigen Stimmungen oder Eigenschaften der Personen. Die Farben schwingen von Bild zu Bild, lassen dadurch Verbindungen entstehen.

In der Ausstellung sieht man von Wandel aber auch noch weitere Werke, die sich mit den Motiven zur Reformation beschäftigen. In der Kreidetechnik und in Mischtechnik umreißt sie weitere Motive. Renate Wandel versucht, mit ihrer Malerei die Tradition und die bekannten Bildmotive der Reformation aufzugreifen, sie verweist aber auch auf die Modernität jener Stoffe und setzt sich mit den Zwischenzeilen jener Zeit auseinander, denn in ihren Farben, Figuren, Ansichten und Motiven erlebt man jenen reformatorischen Geist nachhaltig und direkt.

Aus den Landschaften und angedeuteten Stadtmotiven kann der Betrachter Landschaften von Thüringen und Sachsen erkennen, denn das Topografische ist ihr nicht unbekannt. Stück um Stück schlägt sie das Landschaftsbuch auf, sucht und findet Spuren der Reformation und Renaissance wieder. Dabei reflektiert sie, stellt sich Fragen und setzt Abstraktion neben realistische Bildmotive.
Schwarze, rote oder andere kraftvolle Farbvarianten zeigen das Lodern der Reformation und werden zu Licht/Leuchtpunkten im Werk. Hiermit überzeugt sie als Malerin der Geschichtsmotive, die stets im Wandel sein können. Jene Ausstellung versteht sich als Wanderausstellung zur Luther Dekade.

In diesem Sinne sei die Malerei ein Anstoß und ein Ausblick auf das 21. Jahrhundert, denn die Reformation ist aktueller denn je.

Erfurt, im Juli 2012
Diana Trojca M.A., Kunsthistorikerin